War Kaffee
Kaffee und Ersatzprodukte
Der “echte“ Bohnenkaffee lässt sich in unserem Klima nicht kultivieren. Die vielen Kaffee-Surrogate, die an verschiedenen Orten entwickelt wurden, hingegen schon. Was war zuerst? Der Kaffee oder seine sogenannten “Ersatzstoffe“?
Bei einer Literaturrecherche zu Kaffee-Ersatzpfl anzen – auch Surrogate genannt – fi ndet man zahlreiche Werke: Bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts waren den Kaffee-Ersatzpfl anzen und Kaffee- Surrogaten in den meisten Publikationen zum Thema Kaffee einige Kapitel gewidmet. Schließlich waren Kaffee-Surrogate auch wirtschaftlich nicht unbedeutend. Sie wurden mengenmäßig mehr getrunken als der echte Bohnenkaffee, der in der Zeit der Kriegsund Zwischenkriegszeit für die meisten Menschen unerschwinglich oder erst gar nicht zu beziehen war.
Doch genau genommen sind Kaffee-Ersatz und Kaffee-Zusatzmittel in Europa so alt, wie der Bohnen-Kaffee selbst, wie Paul Ciupka, Sachverständiger für Kaffee und Kaffee-Ersatzstoffe im Jahr 1949 schreibt:
“Als der Kaffeegenuss sich in Europa immer mehr einbürgerte, erwies er sich für den Großteil der Bevölkerung, zumal bei täglichem Gebrauch, als eine wirtschaftlich zu starke Beanspruchung. Außerdem ging auch das Interesse eines jeden Staates, der den Kaffee nicht aus eigenen Kolonien einzuführen in der Lage war, dahin, den Kaffeeverbrauch in Grenzen zu halten. Dies führte schon bald zu Versuchen, den Kaffee durch weniger teure, vor allem durch einheimische Produkte zu strecken oder zu ersetzen.“
In der europäischen Kulturgeschichte des Essens und Trinkens von Rita Dünebier ist dazu Folgendes zu lesen:
„Kaffee-Ersatz hatte stets Hochkonjunktur, wenn Kriege Bohnenkaffee knapp machten, aber seit Beginn des 19. Jahrhunderts hatte er seinen eigenen, keineswegs kleinen Markt. Erfolgreichste Konkurrenten aber wurden Zichorienkaffee, den Christian Gottlieb Förster 1770 unter einem Privileg König Friedrichs herzustellen begann, und Malzkaffee aus Gersten- und Roggenmalz. Beide waren seit Beginn des 19. Jahrhunderts der Kaffee-Ersatz bei den täglichen Kaffeemahlzeiten der Land- und der ärmeren Stadtbevölkerung.“
Kaffee-Ersatz aus Wurzeln, Samen & Co
Die Liste jener Pfl anzen, die als Kaffee-Ersatz verwendet werden können, ist schier unüberblickbar. Bei vielen Pfl anzen, die in der Literatur genannt werden, ist zwar nicht angegeben, wie verbreitet die Verwendung war, vieles dürfte auch einfach einmal ausprobiert worden sein. vieles dürfte auch einfach einmal ausprobiert worden sein.
Von entscheidender Bedeutung für die Trinkbarkeit und den Geschmack des jeweiligen Produktes sind die Verarbeitung und die Röstung der jeweiligen Substanz. Die untenstehende) Liste entstammt einer Publikation aus dem Jahr 1920 und wurde in die Gruppen Samen, Früchte und Fruchtteile, Wurzeln und Rüben und andere Rohstoffe unterteilt.
Gersten-Kaffee
Gerste ist jene Kulturpfl anze, welche die größte Bedeutung als Kaffee- Ersatzpfl anze hat. Erstmalig wird Getreidekaffee im Jahr 1721 erwähnt, bereits hier mit dem Hinweis, dass vielen Menschen der Getreidekaffee besser schmecke als der Bohnenkaffee:
„Und wem der rechte caffee/zu kostbar ist/der brennet sich aus allerhand gemeinen Körnern, vornehmlich aber aus gersten oder haber/einen eigenen caffee/nach welchem man sich offtermahls gar nicht übel befi ndet. Sonderlich haben viele den haber-caffee so gut gefunden/dass sie ihn dem wahren caffee in vielen stücken weit vorziehen.“
Gerste ist insofern ein praktischer Kaffee-Ersatz, als Gerste vielerorts angebaut wurde und nicht gekauft werden musste. Die ersten gewerblichen Marken-Getreidekaffees entstanden im Jahr 1890.
Malz-Kaffee
Malzkaffee enthält wenig Gerb- und Bitterstoffe und schmeckt im Vergleich zu Getreidekaffee milder und süßer. Grundsätzlich kann jede Getreideart gemälzt werden, doch wird Malzkaffee meist aus Gerste hergestellt: In Wasser eingeweichte Gerste wird zum Keimen gebracht. Dabei verwandelt sich Stärke unter anderem zu Malzzucker und Eiweiß wird in seine Aminosäuren gespalten. Der Keimprozess wird durch das anschließende Darren (Trocknen) der Körner gestoppt. Beim darauf folgenden Rösten karamelisiert der Malzzucker, Kaffeefarbe und Aroma entwickeln sich.
Der bekannteste Malzkaffee ist wohl der Kathreiner Malzkaffee. Der bekannte Pfarrer Kneipp trat in seiner Schrift „So sollt ihr leben“ aus dem Jahr 1889 für den Genuss von Malzkaffee anstelle von Bohnenkaffee ein. Im selben Jahr wurde sogar eine Mischung aus Bohnenkaffee und Malzkaffee als “Pfarrer Kneipps Gesundheitskaffee“ in den Handel gebracht.
Roggen-Kaffee
Roggenkaffee wird als kräftig bitterer Kaffee-Ersatz beschrieben. Auch Roggen kann wie Gerste gemälzt werden und kam als „Roggenmalzkaffee“ in den Handel.
Zichorien-Kaffee
Zichorien und Gerstenkaffees waren ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts die häufi gsten Kaffee-Getränke der bäuerlichen wie der städtischen Bevölkerung. Zichorienkaffee wird aus den Wurzeln der Zichorie (Cychorium intybus) gewonnen. Sie ist die kultivierte Verwandte der an Wegen und Ackerrändern häufi g zu fi ndenden Wegwarte. In den Wurzeln lagert sie Inulin ein, eine Stärkeverbindung, die beim Rösten in Zucker umgewandelt wird.
Die erste Zichorienkaffee-Fabrik entstand im Jahr 1760 in Deutschland. Zichorienwurzeln wurden bald zu einem sehr gefragten Rohstoff. In den folgenden Jahrzehnten entstanden Zichorien-Fabriken an vielen verschiedenen Orten in Deutschland, Österreich, Holland, England und Frankreich. Im Jahr 1846 zählte der Deutsche Zollverein alleine im damaligen Bundesgebiet Deutschlands 3.475 Zichorien- Betriebe. Eine der bekanntesten Marken reinen Zichorienkaffees war der Franck-Kaffee, der als Schutzmarke eine Kaffeemühle verwendete.
Feigen-Kaffee
Feigen zählen zu den wichtigsten Kaffee-Ersatzpfl anzen aus der Gruppe der Früchte. Streng genommen sind Feigen keine Früchte; die “Frucht“ bildet der fl eischig gewordene Blütenboden. Zu Kaffee verarbeitet werden die getrockneten Feigen, die im Handel oft auch als “Kranzfeigen“, an Schnüren aufgereiht verkauft wurden.
Feigenkaffee wurde nicht rein zubereitet, sondern die Feigen als Zusatz zu Bohnenkaffee oder als Bestandteil von Kaffee-Surrogat-Mischungen verwendet. Feigen geben dem Kaffee einen süßen Geschmack und eine intensiv dunkle Farbe. Gegenwärtig ist Feigen- Kaffee nur selten im Handel zu finden.
Lupinen-Kaffee
Lupinen zählen zwar nicht zu den mengenmäßig bedeutendsten Kaffee-Pflanzen, haben aber immer wieder als Kaffee-Surrogat Verwendung gefunden.
Immer wieder werden sie in Verordnungen und anderen Dokumenten erwähnt. Im Jahr 1918 erscheint in Österreich eine eigene Verordnung des Amtes für Volksernährung, die den Handel mit Kaffee-Surrogaten regelt. In dieser wird neben Gerste, Feigen und Eicheln auch Lupinenkaffee erwähnt. Um welche Lupinenart es sich handelt, ist der Schrift nicht zu entnehmen, allerdings dürfte es sich um Bitterlupinen handeln, da die Verordnung vorschreibt “Lupinen dürfen zu Kaffeesurrogaten nur dann verarbeitet werden, wenn sie im Betriebe einer Firma, die die Bewilligung des Amtes für Volksnahrung enthalten hat, entbittert worden sind.“ In dieser Verordnung ist auch ein Höchstpreis für 1 kg reinen Lupinenkaffee vorgeschrieben: 4,80 Kronen. Zum Vergleich die Höchstpreise für je ein Kilo der anderen Kaffee-Surrogate: Malzkaffee 2,40 Kronen, Feigenkaffee 10,80 Kronen, Eichelkaffee 3,40 Kronen.
Erwin Franke schreibt in seinem umfangreichen Werk zu Kaffee und Kaffeesurrogaten aus dem Jahr 1920, dass Lupinen vor dem Rösten entbittert werden müssten. In seinem Werk ist auch der Hinweis zu fi nden, dass Lupinen in Tirol als Bauernkaffee bezeichnet werden.
Soja-Kaffee (Glycine max)
Theresia Werth aus Altrei erinnert sich, dass ihr Vater nach dem Krieg Soja angebaut hat. Ein Onkel hatte die Sorte aus Weihenstephan (Bayern) mitgebracht. Die Pfl anzen seien sehr ertragreich gewesen. Die Samen gelb und auch der Geschmack wäre gut gewesen.
Auch Cäcilia Schwarz erinnert sich, dass sie in den Kriegsjahren “Kaffeebohnen“ angebaut haben. Dies sei ein ganz guter Kaffee gewesen, zu dem man auch keinen Zusatz gebraucht habe:
„Dann hat man den Kaffee gekocht, und da eine teufl ische Pfanne voll, in den gelben Messingpfannen und da hat man so ein halbes Glas vom Pulver reingegeben, und dann Wasser und aufgekocht und dann in ein Kaffeehäfen reingeschüttet und da beim Herd zuigestellt und dann hat man immer einen Kaffee gehabt einen schwarzen, man hat davon einige Tage lang gehabt.“
Herausgeber: Autonome Provinz Bozen Südtirol, Abteilung 22 für Land-, forst- und hauswirtschaftliche Berufsbildung
Autorin: Andrea Heistinger
Traduzione: Barbara Desole
Projekt: Diese Broschüre entstand im Rahmen des Interreg III B-Projektes NeProValter (Netzwerk der lokalen landwirtschaftlichen Produktion zur Wertanhebung und Verbesserung des Wissens im Alpenraum)
Fotos: Andrea Heistinger, Südbild Helmut Adam, Hiasl e Frowin Oberrauch
Weitere Ressourcen
Veranstaltungen und Reenactments
Re-Enactments und Veranstaltungen, die die Zeit der Verwüstung der Dolomiten im Jahr 1918 und darüber hinaus nicht vergessen lassen.